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Urinieren nach Plan

Blasentraining stoppt häufigen Harndrang

Mit Blasentraining lässt sich eine Reizblase in den Griff bekommen. Auch bestimmte Formen der Harninkontinenz bessern sich oft deutlich oder verschwinden sogar ganz.

Frau mittleren Alters sitzt entspannt am Wasser
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Eine überaktive Blase lässt sich bis zu einem gewissen Grad erziehen. Die Harnblase steht weitgehend unter dem Einfluss des unwillkürlichen (vegetativen) Nervensystems. Aber auch das willkürliche Nervensystem kontrolliert die Blase. Patientinnen mit Blasenschwäche können daher lernen, das Wasser zu halten.

Dabei hilft ein Blasentraining, neben Beckenbodentraining, Entspannungsübungen und anderen ein Teilbereich des sogenannten Kontinenztrainings. Das Blasentraining wird gelegentlich auch als Toilettentraining oder Miktionstraining bezeichnet.

Blasentraining ist vor allem bei folgenden Inkontinenzformen hilfreich:

Ziel des Trainings ist, eine natürliche Entleerungshäufigkeit zu erreichen. Auch Inkontinenz kann dadurch gebessert oder sogar vollständig behoben werden.

Spezialisten für Blasentraining und Co.: Urotherapeuten

Die Kontrolle von Trinkgewohnheiten und Toilettengängen ist wichtiger Bestandteil der noch recht unbekannten Urotherapie. Hinter dem Begriff verbergen sich verschiedene verhaltenstherapeutische Schritte zur Behandlung von Blasen- und auch Darmschwäche.

Diese kommen in der Therapie von Inkontinenz oft zu kurz, sagt Frau Professor Schultz-Lampel, Direktorin der Kontinenzzentrums Südwest am Schwarzwald-Baar Klinikum Villingen-Schwenningen. Vor allem das Blasentraining braucht Ausdauer und Willenskraft, doch es lohnt sich, denn in vielen Fällen lässt sich Inkontinenz so vollständig beheben. "Die nicht-medikamentöse, verhaltenstherapeutische Behandlung sollte immer der erste Schritt sein", erläutert Schultz-Lampel.

Urotherapie hat den Sinn, die Wahrnehmung des eigenen Körpers und seiner Signale zu schulen. Auf diese Weise soll der Patient lernen, seine Blase bewusst und kontrolliert zu entleeren.

Die Blase kontrolliert entleeren

Den Harndrang zu unterdrücken ist eine Frage des Trainings. Als Grundlage für das Blasentraining dient ein Miktionstagebuch (Miktion = Entleerung der Harnblase). Darin vermerken Sie folgende Details:

  • wie oft Sie auf der Toilette waren
  • wie viel Harn abging
  • ob Sie es rechtzeitig zur Toilette geschafft haben
  • wie viel Sie getrunken haben

Notieren Sie die Situation, die den WC-Besuch provoziert hat. Beispielsweise kalte Füße oder das Geräusch eines laufenden Wasserhahns. Ins Tagebuch gehören zudem Angaben zu Ess- und Trinkgewohnheiten sowie Medikamenten.

Je sorgfältiger der Patient seine Trink- und Toilettengewohnheiten protokolliert, desto genauer kann der Arzt einschätzen, welche Ursache hinter dem Einnässen steckt. Ohne ein Miktionstagebuch habe die Behandlung keine Basis, sagt Urologin Schultz-Lampel. Der Hauptgrund, warum Therapien erfolglos bleiben, "ist, dass das Blasentagebuch sträflich vernachlässigt und der eigentliche Grund für die Inkontinenz nicht erkannt wird", betont sie.

Blasentraining gewöhnt die Blase an größere Füllmengen

Die Tagebuchaufzeichnungen zeigen zunächst, wie oft die überaktive Blase pro Tag den Toilettenbesuch erzwingt. In einem nächsten Schritt beginnt man, den aufkommenden Harndrang zu unterdrücken.

Das Blasentraining sollte zur Sicherheit in unmittelbarer Nähe einer Toilette stattfinden. Dies gilt es einzuplanen und den Alltag entsprechend zu organisieren.

Zum Glück hält der Drang meist nur wenige Minuten an, danach beruhigt sich die Blase wieder. Ablenkung oder bestimmte Körperhaltungen helfen Ihnen dabei, diese Zeit zu überbrücken.

Ein Tipp bei plötzlichem Harndrang: Setzen Sie sich auf einen Stuhl und beugen Sie den Oberkörper nach vorn, bis der Harndrang nachlässt.

Durch das Blasentraining verlängert sich mit der Zeit die Phase zwischen zwei Toilettenbesuchen oder zwei Harndrang-Phasen. Durch die Übung gewöhnt sich Ihre Blase allmählich wieder an größere Füllmengen, der Harndrang setzt später ein. Welches Intervall für die Toilettenbesuche gewählt werden sollte, ist individuell verschieden und erschließt sich aus dem Miktionstagebuch.

Das Blasentraining lässt sich nicht nur aktiv durchführen, sondern auch passiv, wenn Patienten pflegebedürftig sind. Dabei werden die Betroffenen von Pflegekräften zur Toilette begleitet.

Vorbeugendes Wasserlassen vermeiden

Entleeren Sie die Blase, obwohl kein Harndrang oder nur ein geringer Druck besteht, verschlimmern sich Ihre Beschwerden. Es sollte daher nicht vorbeugend auf die Toilette gegangen werden. Zu diesem Ergebnis kommt Dr. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte e. V. (BVF).

Durch das vorsorgliche auf die Toilette gehen wird die Blase darauf trainiert, schon bei einer geringen Füllmenge Harndrang anzumelden. Das fördert die Entstehung von Inkontinenz. Frauen schieben deshalb den Toilettengang am besten weit hinaus und suchen nicht beim ersten Bedürfnis nach Entleerung die Toilette auf.

Auch Trinkverhalten wichtig für Blasentraining

Nicht nur die Toilettengänge, sondern auch das Trinkverhalten wird beim Blasentraining idealerweise berücksichtigt. Bettnässende Kinder sollten zum Beispiel alle zwei Stunden aufs WC gehen und ebenfalls alle zwei Stunden zwischen 150 und 200 ml trinken. Nicht mehr, aber auch nicht weniger, sonst entwickelt sich die Blase nicht richtig. Zwei Stunden vor dem Schlafengehen dürfen Kinder gar nichts mehr trinken, damit sie in der Nacht nicht wasserlassen müssen. Wie ein Miktionstagebuch für Kinder funktioniert, erfahren Sie hier.

Bei Erwachsenen mit Blasenschwäche sollte die Trinkmenge zwischen 1.800 und 2.200 ml pro Tag liegen, empfiehlt Dr. Daniela Marschall-Kehrel, Urologin aus Frankfurt am Main. Sie sollten alle zwei bis drei Stunden trinken. Zum Abend hin sollte die Flüssigkeitsmenge reduziert werden.

Hat sich eine Inkontinenz entwickelt, reduzieren viele Betroffene ihre Flüssigkeitsaufnahme, weil sie befürchten, die Toilette nicht mehr rechtzeitig zu erreichen. Eine Trinkmenge von etwa zwei Litern ist jedoch nicht zuletzt für die Verdünnung des Urins enorm wichtig. Ist der Wassergehalt des Urins zu gering, greifen die hochkonzentrierten, aggressiven Bestandteile des Urins die Blasenschleimhaut an. Es kommt zu einer dauerhaften Reizung, und die Beschwerden verstärken sich.

Jeden Tag gehen unserem Körper etwa zwei Liter Wasser über den Urin, Stuhl, Schweiß und die Lunge verloren. Ständiger Nachschub ist also dringend erforderlich. Denn ohne Wasser kann der Körper die Zellen nicht mit Nährstoffen versorgen, Stoffwechselendprodukte können nicht abtransportiert werden. Wassermangel behindert auch die Niere bei ihrer Arbeit. Damit sie Abfallstoffe zuverlässig ausscheiden kann, muss sie genügend Wasser zur Verfügung haben. Kann die Niere keine Abfallstoffe ausscheiden, vergiftet sich der Körper langsam aber sicher selbst. Wasser sorgt auch für die Temperaturregelung: Verdunstet Schweiß auf der Haut, hat das einen kühlenden Effekt.

Auf den Durst ist kein Verlass

Bei vielen Menschen ist das Durstempfinden schwach oder gar nicht ausgeprägt. Trinken sollte man daher nicht erst, wenn man Durst hat. Flüssigkeitsmangel kann zu Schwindel, Konzentrationsstörungen und Verstopfung führen. Und: Bekommt die Niere zu wenig Flüssigkeit, konzentriert sie den Urin stärker. Ein stark konzentrierter Urin wiederum kann die Wände der Harnblase reizen. Die Folge: Die Beschwerden der Blasenschwäche nehmen zu. Auch eine schwache Blase braucht also ausreichend Spülung.

Trinken Sie alles, was Ihr Herz begehrt. Vorsicht: Eine Ausnahme bilden alle harntreibenden Getränke. Dazu gehören etwa Schwarz- und Grüntee, Brennesseltee, Nieren- und Blasentees. Auf Kaffee sollten Sie wegen des Koffeins möglichst verzichten. Das gleiche gilt für alkoholische Getränke, die aufgrund des enthaltenen Ethanols harntreibend wirken.

Blasentraining nur in Absprache mit dem Arzt

Um dabei nichts falsch zu machen, sich ungünstige Verhaltensweisen anzugewöhnen oder die Blase zu stark zu beanspruchen, sollte das Blasentraining nur in Absprache mit dem Arzt oder der Ärztin erfolgen. Es gilt, Komplikationen wie Harnwegsinfekte rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln. Der Arzt entscheidet, ob es sinnvoll ist, das Blasentraining mit Medikamenten zu unterstützen – eine Kombination, die sich bei bestimmten Formen von Harninkontinenz bewährt hat. Zu bedenken ist auch, dass das Blasentraining selbst sich nur für bestimmte Inkontinenzarten eignet.

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