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Tipps für Angehörige

Tabuthema Inkontinenz: Wie über Blasenschwäche sprechen?

Blasenschwäche lässt sich gut behandeln. Ältere Menschen trauen sich aber oft nicht zum Arzt und verleugnen ihre Inkontinenz. Dann sind Angehörige gefragt. Wie Sie das Thema ansprechen können, ohne zu verletzen.

Frau mit ihrer Mutter
© Getty Images/Jupiterimages

Harninkontinenz trifft junge wie alte Menschen. Ab dem 50. Lebensjahr steigt die Zahl der Betroffenen jedoch stark an. Vor allem Frauen verlieren unfreiwillig Urin: Auf einen Mann kommen drei weibliche Betroffene, berichtet die Urologin Daniela Schultz-Lampel. Schätzungen zufolge leiden etwa drei Millionen Deutsche an Inkontinenz. Betroffene reden nicht gern darüber, manche leugnen das Problem sogar. Dabei können Ärzte eine Inkontinenz heutzutage gut behandeln. Bis Erkrankte sich jedoch an einen Mediziner wenden, haben Angehörige oft viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Sie müssen dazu aber erkennen, dass ihre Mutter, ihr Vater oder ihr Partner einnässt. Das ist nicht immer leicht.

Inkontinenz: die Zeichen deuten können

Ein Anzeichen für eine Inkontinenz kann sein, dass jemand sehr oft auf die Toilette geht. Auch ein großer Vorrat an Slipeinlagen ist oft ein Indiz, ebenso wie Damenbinden auf dem WC, obwohl die Frau schon lange aus dem Alter für Monatsblutungen heraus ist. "Manchmal ist eine Blasenschwäche an einer ungewohnten Unsicherheit zu erkennen. Betroffene trauen sich dann nicht mehr aus dem Haus und sagen etwa den Familienausflüge ab", berichtet Schultz-Lampel. Manche Angehörige werden stutzig, weil es in der Wohnung nach Urin riecht, oder sie eingenässte Wäsche finden. Wenn jemand auffällig wenig trinkt, sollte auch das ein Grund sein, mal nachzufragen, ob alles in Ordnung ist.

Über Blasenschwäche sprechen: Peinlichkeiten vermeiden

Für ältere Menschen ist Inkontinenz oft ein Tabuthema. Vielen ist es peinlich, über Ausscheidungen zu reden. Angehörige sollten darauf Rücksicht nehmen und sich bemühen, den richtigen Ton zu treffen. "Eine gute Möglichkeit ist zu fragen, ob derjenige vielleicht an einer Blasenentzündung leidet. Dann können Sie vorschlagen, einen Arzttermin zu machen und gemeinsam in die Praxis zu gehen", sagt Schultz-Lampel.

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    Haben Sie Probleme mit der Blase? Vielleicht leiden Sie unter einer Form von Inkontinenz.

Wenn sich der Verdacht einer Harninkontinenz bestätigt, sollten Angehörige die Situation zu entspannen versuchen. Es mindert die Scham, wenn ein Betroffener weiß, dass es vielen anderen Menschen genauso geht wie ihm. Angehörige sollten auf keinen Fall schimpfen, rät Schutz-Lampel. Besser sei es, Lösungen aufzeigen. Denn schon einfache Änderungen in der Lebensführung können sich positiv auswirken. Dazu gehören:

  • Trinken: Viele Menschen mit Inkontinenz sind versucht, weniger zu trinken, um Malheurs zu verhindern. Dadurch wird der Urin jedoch stärker konzentriert. Das kann die Blase zusätzlich reizen und Harnwegsinfekte fördern. Empfohlen wird deshalb normal weiterzutrinken. Es ist aber sinnvoll, Getränke mit Koffein, Alkohol und Kohlensäure zu meiden, da sie harntreibend wirken. Wenn ältere Menschen zu wenig Flüssigkeit zu sich nehmen, weil sie keinen Durst empfinden oder das Trinken vergessen, hilft ein Trinkplan. Er legt fest, wie viel der Mensch zu den Mahlzeiten und zwischendurch trinken soll, damit er insgesamt auf etwa zwei Liter Flüssigkeit am Tag kommt.

  • Miktionsprotokoll: So ein Tagebuch lässt der behandelnde Urologe Patienten mit Verdacht auf Inkontinenz führen, um eine genaue Diagnose stellen und eine Therapie festlegen zu können. Der Betroffene notiert darin mehrere Tage lang, was und wie viel er trinkt, wann er zum Urinieren zur Toilette geht und wann unfreiwillige Harnabgänge auftreten. Mit diesem Protokoll lassen sich Regelmäßigkeiten und Zusammenhänge erkennen. Dann wird ein Zeitplan für den Toilettengang erarbeitet, nach dem der Betroffene, immer eine halbe Stunde bevor er Drang verspürt, die Blase entleert.

  • Kleidung: Kleider, Röcke und Hosen sollten auf der Toilette rasch zu öffnen sein. Zu empfehlen sind Reiß- und Klettverschlüsse sowie ein Gummizug im Hosenbund.

  • Inkontinenzeinlagen: Slipeinlagen und Damenbinden eignen sich nicht bei Inkontinenz. Sie können nicht ausreichend Urin aufsaugen und enthalten keine Geruchsbinder. Das unterscheidet sie von Inkontinenzeinlagen. Diese gibt es in Sanitätshäusern und Apotheken.

  • Unterwegs: Ob nur zum Einkaufen oder auf Reisen: Wer Urin verliert, sollte immer eine trockene Inkontinenzeinlage und eine Plastiktüte für gebrauchte Produkte dabeihaben. Beim Zugfahren oder Fliegen ist es gut, einen Sitzplatz nahe der Toilette zu buchen. Bei längeren Autofahrten und Bustouren sollten regelmäßig und frühzeitig Stopps eingelegt werden, um auf die Toilette zu gehen.

  • Nachts: Wer nachts oft heraus muss (Nykturie), sollte vor allem tagsüber trinken und nach 19 Uhr nur noch wenig Flüssigkeit zu sich nehmen. Zudem empfiehlt es sich, die Blase direkt vor dem Schlafengehen vollständig zu entleeren. Viele Betroffene stellen sich einen Wecker, um einmal in der Nacht zur Toilette zu gehen. Andere tragen nachts Inkontinenzeinlagen, um zu verhindern, dass das Bett nass wird.

  • Blasentraining: Ein spezielles Training, um das Fassungsvermögen der Blase zu steigern, kommt bei leichten Fällen von Dranginkontinenz in Betracht. Der Betroffene trinkt dazu alle zwei bis drei Stunden sehr viel und geht eine halbe Stunde später zur Toilette, auch wenn er keinen Harndrang verspürt. Nach und nach lassen sich die Intervalle vergrößern.

  • Beckenbodentraining: Bei einer Belastungsinkontinenz kann regelmäßiges Beckenbodentraining den Beckenboden stärken und unkontrollierten Harnabgang verhindern. Am besten ist es, geeignete Übungen zunächst unter Anleitung eines Physiotherapeuten zu lernen. Später kann das Training selbstständig zu Hause weitergeführt werden.

Vielen Menschen mit Inkontinenz und ihren Familie hilft es, sich mit anderen Betroffenen über die Krankheit und Möglichkeiten der Hilfe auszutauschen. Selbsthilfegruppen bieten ein Forum dazu. Urologen und Physiotherapeuten wissen in der Regel Adressen in der Nähe. Im Internet können Interessierte bei der Deutschen Kontinenz Gesellschaft und beim Verein Inkontinenz Selbsthilfe suchen.

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