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Anlaufstelle Internet

"Ich habe erst mal im Web über Inkontinenz gelesen"

Warum verliere ich Urin? Was steckt dahinter? Die meisten Menschen gehen mit solchen Fragen nicht gleich zu einem Arzt, sondern suchen zunächst anderswo Antworten. Dabei ist das Internet eine wichtige Anlaufstelle. Seine Vorteile: Anonymität und Austausch mit anderen Betroffenen. Informiert und gestärkt finden viele Inkontinente übers Internet den Weg in eine ärztliche Praxis.

Frau mit Laptop auf der Couch

"Wenn ich ernsthaft krank bin, gehe ich zum Arzt." Diesem Satz stimmt fast jeder ohne Zögern zu. Dennoch vergehen oft Wochen, Monate oder sogar Jahre, bis Menschen mit Blasenschwäche ärztliche Hilfe suchen. Zunächst überwiegt meist die Hoffnung, dass Beschwerden sich von allein bessern und wieder verschwinden. Später stellt sich vielleicht die Angst ein, dass hinter den Symptomen eine lebensbedrohliche Krankheit lauert. Manche schämen sich auch einfach, mit einem Arzt über intime Dinge zu reden. Zu groß sind die vermuteten Vorbehalte – auch in einer Gesellschaft, die bisweilen sehr offen mit körperlichen Dingen umgeht.

Infoplattform Internet

Was aber tun, wenn immer wieder Harn abgeht? Die meisten Betroffenen beginnen, sich heimlich zu informieren. Sie verfolgen Zeitungsberichte, stöbern in Bibliotheken, kaufen Ratgeberbücher. Immer häufiger machen Betroffene sich am Computer schlau. "Ich habe erst mal im Internet nachgelesen, was die Gründe für Harninkontinenz sind und was man machen kann", berichtet Conny Neumann*, die an einer Belastungsinkontinenz erkrankt ist. Den Tipp, Beckenbodentraining zu machen, setzte sie gleich um. "Ein Problem im Internet war allerdings, dass ständig von Tröpfchen die Rede war. Ich habe aber deutlich mehr Urin verloren." Die Informationen aus dem Internet haben ihr jedoch geholfen, ihre Krankheit einzuordnen und den Mut zu fassen, sich ärztlichen Rat zu holen.

Erfahrungsaustausch in Patientenforen

Auch Jörg Klose ebnete das World Wide Web den Weg in eine Praxis. "Als ich das erste Mal zum Arzt gegangen bin, habe ich mir aus dem Internet einen Patienten-Fragebogen zu Harninkontinenz ausgedruckt und ausgefüllt." Das erleichterte ihm das Gespräch und seinem Urologen eine erste Diagnose. Viele Inkontinente nutzen im Internet die Möglichkeit, mit anderen Betroffenen ins Gespräch zu kommen.

"Für mich ist das Internet sehr wichtig", sagt Hanspeter Stutz. "Meine Frau mag meine Windeln nicht und fühlt sich durch sie abgestoßen. Ich muss mich manchmal sehr bemühen, das Positive an meiner Situation zu erkennen. Dabei hilft mir der Austausch in Internetforen."

Nathalie Werner* entdeckte erst vor kurzem, dass es Foren zum Thema "Inkontinenz" gibt. Erstaunt stellte die 20-Jährige fest, wie viele unterschiedliche Formen von Blasenschwäche es gibt und wie schlimm es einige trifft. Der jungen Frau geht es vor allem um das Weitergeben von Erfahrungen und gegenseitige Hilfe. So schickte sie einer Internet-Bekanntschaft kurzerhand die E-Mail-Adresse ihres Urologen und riet ihr eine weitere ärztliche Meinung einzuholen.

Virtuelle Selbsthilfegruppen

Der Vorteil des Internets? Für Jörg Klose ist es ganz klar: die Anonymität. Wer seinen Namen nicht preisgeben will, lässt es einfach. Vielen fällt es bereits schwer, sich von Angesicht zu Angesicht zu unterhalten, erfuhr der 38-Jährige, als er eine Selbsthilfegruppe gründete. Vorträge waren gut besucht, doch als inkontinent outen wollte sich offenbar keiner. "An Gesprächsabenden saß ich alleine da."

Dennoch ist Jörg Klose nicht völlig entmutigt und überlegt einen zweiten Anlauf zu starten. "Wenn man liest, wie viele Menschen von Inkontinenz betroffen sind, kann es eigentlich nicht sein, dass kein Bedarf an Selbsthilfegruppen besteht." In der Zwischenzeit ersetzen ihm Internetforen eine Gruppe am Ort. Dabei legt er großen Wert auf Seriosität. "Windelfetischisten zum Beispiel haben in einem Inkontinenzforum nichts zu suchen. Wenn sich solche Leute dort tummeln, verlasse ich das Forum wieder."

* Namen von der Redaktion geändert

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