Inkontinenz ist eine der häufigsten Gründe, warum alte Menschen in ein Pflegeheim kommen. Während viele Familien die Vergesslichkeit und leichte Verwirrtheit eines Angehörigen gut zu meistern vermögen, geraten sie an ihre Grenzen, wenn eine Inkontinenz hinzukommt. Pfützen im Flur, ständig die Wäsche wechseln, immer den Geruch von Urin in der Nase – das überfordert viele Verwandte auf Dauer. Außerdem verlieren Demenzkranke meistens nicht nur Harn, sondern auch Stuhl.
"In 70-80 Prozent der Fälle ist ein Dementer inkontinent", berichtet Professorin Daniela Schultz-Lampel. Die Demenz vernichtet Hirnbahnen und Nervenzellen. "Eine Gehirnregion, die oft und früh zugrunde geht, ist jene, wo die Steuerung der Blase stattfindet", erklärt die Urologin. Trotzdem ist eine Therapie nicht sinnlos. "Auch wenn wir nur die Symptome behandeln können und nicht die Ursachen im Kopf, sollte man eine Dämpfung der Blase durch Medikamente probieren." Das Lindern der Inkontinenz ermöglicht es einem demenzkranken Menschen stärker am sozialen Leben teilzunehmen, was wiederum seine geistigen Fähigkeiten erhalten helfen kann. Allerdings ist eine vollständige Kontinenz bei Demenzkranken oft nicht zu erreichen.
Medikamente und Miktionstraining helfen Dementen bei Inkontinenz
Die meisten Demenzpatienten leiden an Dranginkontinenz. Um sie zu behandeln, setzen Mediziner vor allem auf Anticholinergika. "Diese Medikamente schwächen den Harndrang ab, indem sie die Hemmung des Blasenmuskels übernehmen, die das Gehirn nicht mehr leisten kann", sagt Schultz-Lampel. Jedoch brächten Anticholinergika nicht in jedem Fall eine Besserung. Sie könnten die Hirnfunktion auch verschlechtern. Da helfe nur ausprobieren, meint die Expertin.
Zusätzlich kann ein Blasentraining den Betroffenen helfen, bei plötzlichem Harndrang ruhig zu bleiben, ihn noch eine zeitlang zu unterdrücken und so die Abstände zwischen den Toilettengängen zu verlängern. Dabei ist es nützlich, wenn der Patient gelernt hat, seine Beckenbodenmuskeln anzuspannen. Miktionstraining verspreche vor allem bei beginnender Demenz Erfolg, sagt Ingo Füsgen, Professor für Geriatrie an der Universität Witten/Herdecke.
Wechselwirkungen von Arzneimittel beeinflussen Inkontinenz oft
Nicht immer resultiert die Inkontinenz von Dementen aus dem Abbau im Gehirn. Sie kann auch die Folge von Medikamenten sein. Ältere Menschen nehmen häufig eine Vielzahl verschiedener Arzneien gegen diverse Krankheiten ein. Doch Arzneimittel haben gegenseitige Wechselwirkungen. Daher könne es sein, dass sich eine medikamentöse Verbesserung der Demenz positiv auf die Blase auswirkt, sagt Schultz-Lampel. "Wenn Demente allerdings neuroleptische Medikamente einnehmen oder neurologische Arzneimittel gegen Altersdepression, kann sich das sowohl positiv als auch negativ auswirken."
Daher sollte ein Urologe bei der Suche nach der Inkontinenz-Ursache als erstes überprüfen, welche Medikamente der Patient zu sich nimmt, rät Füsgen. Neben einer genauen urologischen Untersuchung gehöre zur Diagnostik unbedingt, dass ein Arzt den Demenzgrad bestimmt und die funktionellen Defizite erfasst. Natürlich sollte klar sein, um welche Demenzerkrankung es sich überhaupt handelt, damit die anschließende Behandlung auch passt. Beispielsweise kann ein Arzt bei einer speziellen Form der Demenz, dem Normaldruck-Hydrozephalus, durch eine Drainage und das Ablassen von Gehirnwasser sowohl die kognitiven Fähigkeiten als auch die Blasenfunktion verbessern. Schultz-Lampel: "Leider ist viel zu wenig bekannt, dass sich bei dieser Demenzform auch ursächlich etwas machen lässt." Ein Normaldruck-Hydrozephalus ist daran zu erkennen, dass ein nachlassendes Gedächtnis, eine Blasenschwäche und eine Gangstörung zusammenkommen.
Alltagshilfen für inkontinente Demenzkranke
Es gibt einige Dinge, um Demenzkranke vor dem Einnässen zu bewahren. Oft haben Betroffenen Probleme, die Toilette zu finden, sie rechtzeitig zu erreichen, sie vergessen, vor dem Hinsetzen die Kleider herunterzuziehen oder sie verwechseln andere Plätze mit dem Örtchen. Daher sollte der Weg zur Toilette immer frei geräumt und gut beleuchtet ist. Um dem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen, lässt sich außerdem Folgendes ausprobieren: Die Toilettentür so gestalten, wie sie der Betroffenen von früher in Erinnerung hat. Den WC-Sitz in einer Farbe wählen, die sofort ins Auge fällt. Denn Menschen mit Demenz fühlten sich oft von Farbimpulsen angezogen und wissen dann intuitiv den Weg. Schilder mit dem Wort „Abort“ aufstellen; der Begriff ist vor allem sehr alten Menschen vertrauter als das Wort "WC". Weiter hilft es, wenn Demenzkranke Kleidung tragen, die sie selbst einfach ausziehen können. Gut sind zum Beispiel Klettverschlüsse anstelle von Reißverschlüssen oder Knöpfen.